Geduld ist eine Tugend – Warum es manchmal besser ist, wenn Ihnen Ihr Homöopath keine Globuli verschreibt

Sind Sie schon mal enttäuscht aus der homöopathischen Praxis nach Hause gegangen, weil Sie keine neuen Kügelchen verordnet bekamen? Endlich wollten Sie alle Beschwerden, die Sie womöglich schon seit Langem quälen, hinter sich lassen, und dann DAS: Sie werden einfach nach Hause geschickt.

„Abwarten!“, wurde Ihnen gesagt. Einfach so. Aber jetzt soll es doch weitergehen, nicht stehenbleiben! Gewartet haben Sie schließlich schon lange genug. Bei jedem Termin muss man immer wieder alles haarklein erzählen, und dann bekommt man nicht einmal ein paar Globuli, die weiterhelfen sollen. Es ist ja außerdem auch nicht ganz billig. Soll das jetzt alles für die Katz‘ gewesen sein? Oh, ich kann Ihren inneren Monolog förmlich hören. All die Zweifel und die Enttäuschung. Was hat es mit dem Abwarten auf sich? Warum können Sie nicht jedes Mal ein neues Mittel bekommen oder wenigstens Ihr altes Wiederholen?

 

Wie lange wirkt ein homöopathisches Mittel?

In der Regel wird in der klassischen Homöopathie nach der Fallaufnahme ein homöopathisches Mittel verordnet, das auf gewisse Weise eingenommen werden soll. Dieses Mittel setzt einen Reiz in Ihrem Organismus, mit dem sich dieser dann auseinandersetzen muss.
Ich vergleiche es gerne mit einem Mobile: streift der Wind von einer Seite daran vorbei, kommt das ganze Gefüge in Bewegung und muss sich neu sortieren. An jedem Mobile hängen aber unterschiedliche Objekte. Genauso unterscheidet sich jeder Mensch individuell von anderen und jeder Organismus schwingt auf seine besondere Weise.
Wenn beispielsweise an einem Mobile Steine hängen, werden die Bewegungen des Mobiles anders sein als die eines Mobiles, an dem Federn hängen. Während die Steine durch ihr Gewicht schneller wieder zurück ins Gleichgewicht und in eine Ruheposition kommen, kringeln sich die feinen Härchen der Federn vermutlich noch lange weiter im kleinsten Lufthauch. Das ist weder gut noch schlecht. Es ist einfach eine Beobachtung.

Und genauso lässt sich in der Praxis die Reaktion eines Patienten auf das zuvor verordnete Arzneimittel beobachten. Mögliche Gründe:

  • Beim nächsten Termin hat das Mittel noch nicht ganz ausgewirkt und der Organismus ist noch dabei, sich neu zu sortieren.
  • Eine Besserung der Symptomatik ist sichtbar, die wir durch eine weitere Mitteleinnahme nicht stören wollen.
  • Das nächste Mittel zeigt sich noch nicht deutlich und der Organismus braucht noch etwas mehr Zeit, um ein klares Mittelbild zu präsentieren.

Auch das alles ist weder gut noch schlecht, sondern einfach eine Beobachtung.

 

Zu viele Globuli, zu viele Informationen

Es gibt in der Homöopathie klare Regeln, an die wir uns halten müssen, wenn wir nicht nur lindern oder unterdrücken, sondern eine dauerhafte Heilung herbeiführen wollen. Wird ein Mittel zu schnell wiederholt, können Probleme im Heilungsverlauf auftreten. Genauso ist ein zu häufiger Wechsel der Globuli kontraproduktiv und kann den Fall verwirren. Das ist so wie wenn Sie z.B. im Internet nach einer Information suchen und dabei ganz viele Seiten mit widersprüchlichen Behauptungen finden. Welche davon sollen Sie nun glauben? Wonach sollen Sie sich richten?

Jedes homöopathische Mittel gibt Ihrem Organismus ebenfalls eine Information, mit der sich ihr Abwehrgefüge auseinandersetzen muss, während es sich im besten Fall neu sortiert, um im Anschluss wieder reibungslos zu funktionieren. Wenn wir nun aber ständig wechselnde Informationen in Ihr System schicken, dann wird es verwirrt, produziert ein paar neue Symptome, unterdrückt ein paar alte oder reagiert sonst irgendwie unpassend. So wird es immer schwieriger, das wirklich heilende Mittel zu finden.

Ich erinnere mich an manche Erstgespräche, in denen schnell klar wurde, dass die Erwartung der Patienten war,  immer und überall neue Globuli von mir zu bekommen. Ich versuche so gut wie möglich gleich zu Beginn zu erklären, warum das keinen Sinn macht und dass die Homöopathie so nicht arbeitet. Doch manche Menschen, die mit dem homöopathischen Gedanken noch nicht so vertraut sind, verunsichert das. Ein paar Behandlungen wurden genau aus diesem Grund auch von Seiten der Patienten abgebrochen. Denn beim Arzt bekamen sie ja auch bei jedem Besuch immer gleich irgendwelche Kügelchen und so möchten sie es gerne beibehalten.

Bei der Entscheidung, wie die Behandlung weitergehen soll – ob das Mittel wiederholt oder gewechselt werden muss, ob die Potenz erhöht oder beibehalten werden soll oder ob auch einmal abgewartet werden muss – sind viele, viele kleine Informationen zu berücksichtigen, die man den Patienten nicht immer bis ins Detail erläutern kann.

 

Loslassen – Ihrer Gesundheit zuliebe

Ihr Organismus ist auf Ihrer Heilungs-Reise der Kapitän. Er gibt den Ton an und das Tempo vor. Vertrauen Sie darauf: er weiß genau, was er macht. Wenn wir glauben, wir könnten ihn hetzen oder antreiben, gerät er womöglich noch weiter aus dem Tritt. Alles was Ihr Behandler oder Ihre Behandlerin machen kann, ist, gut hinzusehen, was Ihr Organismus zeigt, und dann den geltenden Regeln entsprechend zu handeln. Selbst wenn das heißt, Sie zu enttäuschen.

Vertrauen Sie Ihrer/m Therapeut/in! Wenn sie oder er Sie einmal abwarten lässt, ohne ein neues Mittel zu verordnen, dann können Sie davon ausgehen, dass Sie an einer guten Adresse gelandet sind.

Vertrauen Sie auch der Intelligenz Ihres Abwehrgefüges. Jede Krankheit, die sich zeigt, ist der Versuch des Organismus, wieder zurück ins Gleichgewicht zu kommen und Schlimmeres zu verhindern. Die Krankheit zeigt, dass er alleine nicht die Kraft und Möglichkeit hat, das zu schaffen. Mit dem richtigen Mittel zur richtigen Zeit bekommt er häufig wieder die Gelegenheit, sein Werk zu vollenden.

Wer mit Homöopathie wirklich gesund werden möchte, ohne die Probleme zu verschleiern, kommt mit solchen scheinbaren Abkürzungen oft nicht sehr weit.

Wenn Sie Vertrauen in Ihre/n Therapeut/in haben, dann freuen Sie sich über das Abwarten, denn es heißt, dass etwas in Ihrem Organismus vorgeht. Dieser Prozess ist vielleicht noch nicht ganz abgeschlossen, aber immerhin ist er bereits am Laufen. Und das ist mehr, als Sie vor der Behandlung hatten.

Eine Behandlung ist nicht erst dann etwas wert, wenn Sie quasi als Belohnung Ihre Globuli erhalten, sondern auch – und gerade dann – wenn Sie aus gutem Grund noch ein Weilchen abwarten müssen.

Kochen Sie sich doch in der Zwischenzeit einen feinen Tee. Der verkürzt bekanntlich die Wartezeit. 😉

 

Mehr Behandlungsentscheidungen, die Patienten nicht gerne sehen:

3 Gründe, warum dir dein homöopathisches Mittel nicht gefallen wird