Teil 3: Mahlzeiten mit Kindern zwischen Lust und Frust – Worüber bei Tisch diskutiert wird und warum

Gemeinsame Familienmahlzeiten können manchmal zu einem echten Spießrutenlauf für Groß und Klein werden. Schauen wir mal, woran das liegen kann.

Menüplan

Die Auswahl der Speisen ist ein häufiges Diskussionsthema. Wenn es nach Ihnen ginge, gäbe es viel Gemüse, Obst, Rohkost, Vitamine. Wenn es nach den Kindern ginge, gäbe es Süßigkeiten, Pizza, Pasta und Würstchen.

Die Gründe dafür liegen sowohl in den inneren Vorlieben und Abneigungen, die uns unser Körper diktiert, als auch in Angewohnheiten, die von außen gesteuert sind. (siehe auch Teil 1 und Teil 2)

Aber nochmal zum Einprägen: Wenn Ihr Kind Milch verlangt oder Eier oder Käse, etc. oder ebendiese vehement ablehnt, selbst wenn Sie es ihm schon mehrfach angeboten und zum Probieren gegeben haben, dann respektieren Sie das bitte. Es hat meist einen guten Grund, nämlich den, dass sie für seinen Körper weniger verträglich sind, als andere Speisen. Dies sind klare Signale seines Organismus und sehr wichtige Hinweise für die Verordnung der passenden Arznei und die Beurteilung des Behandlungsverlaufs.

Ich erinnere mich an die Erzählung einer Patientin. Sie hatte als Kind immer Stress bei den Mahlzeiten, weil sie nicht essen wollte und sich oft erbrach. In den Augen der Eltern verwöhnte ihre Großmutter sie mit Schokoladepudding, bei dem es erstaunlicherweise nie Theater gab. Erst Jahre später – und nach vielen schwierigen Situationen, die die Beziehung zu den Eltern auf die Probe stellten – erfuhr sie als Erwachsene, dass sie an Zöliakie litt und somit die meisten früher als Kind angebotenen Lebensmittel einfach nicht vertragen konnte. Es war also nicht ihr sturer Wille, sondern ihr Organismus, der sich zu Wort gemeldet hatte.

 

Essensmenge

Darüber hinaus kann auch die Essensmenge für Aufregung am Esstisch sorgen. Müssen Kinder mit gutem Appetit manchmal ein wenig gezügelt werden, so versucht man Kindern mit spärlichem Appetit die Speisen so schmackhaft wie möglich zu präsentieren, um überhaupt ein paar Bissen in sie hineinzubekommen.

Doch keine Sorge: Kein Kind verhungert vor einem vollen Teller!

Klingt jetzt ein bisschen provokant, ich weiß. Aber denken Sie sich mal in diese Situation hinein: Wenn Eltern z.B. die große Sorge haben, ihr Kind esse zu wenig, zu ungesund oder zu einseitig, so kommt dieser Umstand automatisch in den Mittelpunkt der Aufmerksamkeit.

Hier meine Frage: Wie gerne machen Sie etwas, das sie machen SOLLEN? Wenn etwas von Ihnen ganz dringend erwartet wird, spüren Sie dann vielleicht in sich selbst auch manchmal einen gewissen Widerstand aufkommen und ein Gefühl von Trotz? Wenn ein Kind spürt, dass sein Essverhalten von allen Seiten beobachtet wird, so wird es dieses mit großer Wahrscheinlichkeit in immer ausgeprägterer Form an den Tag legen.

Ein schwacher Appetit kann – wie in Teil 1 geschildert – ebenfalls einfach Ausdruck der Gesamtkonstitution des Kindes sein. Solange das Gewicht nicht deutlich unter die Norm rutscht, wird es das Beste sein, möglichst kein Problem daraus zu machen! Schwerwiegende Essstörungen gehören allerdings unbedingt in fachkundige Begleitung. Solche Störungen treten meist noch nicht im Kindesalter auf und haben sind in der Regel mit psychischen Begleitumständen kombiniert.

Und was ist nun mit den Kindern, die zu Übergewicht neigen? Auch das kann Ausdruck der Gesamtkonstitution sein und bietet in der Praxis eine gute Indikation zur korrekten Mittelverordnung. Stellen Sie jedoch sicher, dass Ihr Kind dennoch angemessene Portionen auf den Teller bekommt. Kein Kind muss so viel essen wie ein Erwachsener oder gar mehr. Und was noch viel wichtiger ist: Halten Sie Pausen zwischen den Mahlzeiten ein.
Denn wenn der Insulinspiegel den ganzen Tag durch einen Bissen hier und einen Snack da auf Trab gehalten wird, kann keine Fettverbrennung stattfinden.

Ebenfalls kann Übergewicht Ausdruck von fehlender Aufmerksamkeit sein. Auch wenn Sie alles geben, einfühlsam sind und viel Zeit gemeinsam verbringen, empfindet Ihr Kind es subjektiv möglicherweise dennoch als zu wenig, was es an Aufmerksamkeit bekommt. Den fehlenden Teil holt es sich dann einerseits über das angenehme Gefühl des Essens selbst und andererseits durch die Diskussionen mit Ihnen darüber. Dann allerdings in negativer Form, die beiden Seiten nicht besonders guttut.

Wer ist stärker?

Kinder wollen ihre Selbstbestimmung erproben. Wo geht das besser als bei einem Thema, das den Eltern wirklich WICHTIG ist? Wäre es Ihnen nicht wichtig, was und wie viel Ihr Kind isst, so gäbe es darüber auch keine Diskussionen, sondern Sie könnten die Entscheidungen Ihres Kindes akzeptieren und es essen lassen, was und wie es ihm gefällt.

Vielleicht finden sich ja Teilbereiche, wo Sie die Führung aus der Hand geben können?

Gruppendynamik

Auch zwischen Geschwistern kann es zu einer speziellen Dynamik kommen. Wenn einer die Mahlzeit runtermacht, hat der andere oft kaum die Chance, unvoreingenommen sein Essen zu genießen, sondern macht reflexartig mit. Was der eine blöd findet, findet der andere selten gut. Bei rivalisierenden Geschwistern kann diese Dynamik natürlich auch komplett umgekehrt aussehen.

Egal, wo die Gründe liegen und wo die Auslöser sind – diese ständigen Diskussionen und Spielchen nerven und kosten uns alle viel Kraft. Damit es in Zukunft harmonischer bei Tisch zugehen kann, braucht es vielleicht ein bisschen Durchhaltevermögen und ein paar Tricks, die Sie in Teil 4 der Themenreihe weiterlesen können.

 

Lesen Sie mehr zum Thema:

Teil 1: Über die speziellen Vorlieben und Abneigungen. – Oder: Warum Ihr Kind nicht isst, was es essen sollte.

Teil 2: Wo liegt die Grenze zwischen innerem Verlangen und äußeren Einflüssen? Und: Wie entwickelt sich der Geschmackssinn Ihres Kindes?

Teil 4: Die wichtigsten 15 Tipps, wie wieder Lust und Freude an den Esstisch kommen