Globuli aus Muttermilch herstellen lassen – ja oder nein?

Helfen Muttermilch, Plazenta oder das Blut der Nabelschnur meinem kleinen Liebling?

Eine Schwangerschaft ist eine sehr kraftvolle, wunderbare Zeit. Neues Leben entsteht aus eigener Kraft, wie von Zauberhand. Und die Liebe zu diesem kleinen Wunder ist unermesslich!
Gleich gefolgt von der Sorge darum, dass ihm ja niemals irgendetwas zustoßen möge und es immer gut behütet sei.

Da bekommen Sie das Angebot, aus Ihren eigenen wundervollbringenden Zellen und Substanzen einen Alleskönner herstellen zu lassen: Globuli aus der eigenen Plazenta, der Muttermilch oder dem Blut der Nabelschnur. Die Erklärung klingt auf den ersten Blick plausibel, denn in der Homöopathie gilt das Gesetz: Ähnliches wird durch Ähnliches geheilt. Und was kann mir schon ähnlicher sein, als meine eigenen Zellen, die mich und mein Kind verbinden? Endlich scheinen Sie die Lösung für alle möglichen Probleme gefunden zu haben!

 

Versprechen und Realität

Wahre Wunder sollen diese Mittel bewirken. Jeder werdenden Mutter werden sie als unglaubliche Gelegenheit dringend ans Herz gelegt. Denn die Vorteile scheinen überwältigend zu sein.
Immer wieder werde ich gefragt, wie ich das sehe und bei welchen Indikationen ich eine Anwendung dieser Mittel anraten würde. Denn laut Hersteller nützen sie gegen so ziemlich alles, was ein Säugling an Symptomen vorweisen kann. In einer Broschüre reichten die Indikationen von Neurodermitis über Asthma und Verdauungsproblemen bis hin zu Ängsten und – mein Highlight! – Alleinerzieher (?).
Ich zählte über 60 Indikationen. Unterm Strich wird man den Eindruck nicht los: „Nimm es, egal wie es dir geht, es wird schon nützen.“ Da es sich aber um verschiedene Präparate handelt, bleibt immer noch die Frage, welches wogegen anzuwenden sei.

Selbst in höherem Alter sollen die Mittel noch alle möglichen Beschwerden lindern, da sie ja „von mir selbst“ sind. Also Allesheiler für Menschen jeden Alters – ob 4 Monate, 40 oder 94 Jahre alt.

Da es sich hier um einen großen Trend zu handeln scheint, möchte ich für Sie meine Gedanken dazu sammeln:

Bleiben wir beispielsweise bei der Muttermilch, da Plazenta und Nabelschnurblut in der Homöopathie viel weniger getestet und daher weniger bekannt sind. Es gibt in der Homöopathie bereits ein Mittel aus Muttermilch, nämlich das Mittel Lac humanum. Zu seiner Herstellung wurde zwar nicht genau IHRE Milch verwendet, aber es ist den Globuli, die aus Ihrer eigenen Milch hergestellt werden könnten, sehr, sehr ähnlich.
Für dieses Mittel Lac humanum gibt es genaue Beschreibungen, unter welchen Umständen es hilfreich sein kann. Und dazu gehören bei weitem nicht alle jene, die in der besagten Broschüre zu finden sind.

Außerdem – und das ist noch viel wichtiger – entwickelt nicht jeder Säugling Symptome, die die Anwendung von Lac humanum rechtfertigen. Im Gegenteil! Es gibt sehr viele andere Mittel, die viel häufiger bei typischen Beschwerden von Neugeborenen indiziert sind und erfolgreich angewendet werden.

Dass ein Kind also die entsprechende Symptomatologie für diese Mittel aufweist, ist eher unwahrscheinlich. Und dennoch soll laut Hersteller das Mittel wiederholt bei jeglicher Beschwerde angewendet werden.

 

Prüfungssymptome

Wer sich schon ein wenig mit Homöopathie auseinandergesetzt hat, ist sicher schon einmal über den Begriff „Prüfungssymptome“ gestolpert. Das sind Symptome, die durch die wiederholte Einnahme eines Mittels hervorgerufen werden, welches nicht zu dem derzeitigen Gesundheitszustand passt. Der Organismus muss irgendwann auf die Information reagieren, mit der er sich aufgrund der mehrmaligen Einnahme wiederholt auseinandersetzen muss. Und das macht er, indem er genau jene Symptome produziert, die zu dem falsch verabreichten Mittel gehören. Es ist oft nicht leicht, solche Prüfungssymptome zu erkennen. Wenn sie unerkannt bleiben, besteht die Gefahr, dass sie als „echte“ Symptome missverstanden werden. Wenn also nach der wiederholten Einnahme ein Symptom entsteht, das zum Heilpotenzial des Mittels zählt, denkt sich so mancher vielleicht: „Oh, das ist ja interessant! Jetzt muss ich das Mittel noch öfter geben, um dieses Symptom zu heilen.“ Und der Teufelskreis geht weiter.

 

Globuli aus Muttermilch – Sinn oder Unsinn?

Der langen Rede kurzer Sinn: Nicht jeder Säugling braucht automatisch ein Muttermittel, von denen nicht einmal alle gut geprüft sind und die Wirkung daher nicht vorhersehbar ist.
Viel häufiger sind andere Mittel notwendig, um eine Linderung zu erzielen. Gut ausgebildete, erfahrene Homöopathen können Ihnen bei der Wahl des richtigen Mittels sicher zur Seite stehen. Wenn jedoch standardmäßig eines dieser Mittel wiederholt verabreicht wird, ist es möglich, dass die Suche nach dem tatsächlich passenden Mittel aufgrund der Prüfungssymptome, die durch die Anwendung nicht indizierter Mittel entstanden sein könnten, erschwert wird. Und Ihr Kind wird durch diese zusätzlichen neuen Symptome unnötig belastet.
Sollte Ihr Kind tatsächlich irgendwann eines dieser Mittel benötigen, weil es durch seine Symptome indiziert ist, ist es völlig ausreichend, Globuli zu verwenden, die aus z.B. der Milch einer anderen Frau hergestellt wurden. Es muss dann nicht Ihre eigene Milch sein, die zur Heilung führt.

Lassen Sie sich nicht verunsichern! Es gibt kein einzelnes homöopathisches Mittel, das auf alle jemals auftauchenden Beschwerden richtig reagieren kann, nur weil es aus Ihren körpereigenen Substanzen hergestellt wurde. Und die Wahrscheinlichkeit, dass Sie oder Ihr Kind es tatsächlich einmal benötigen, ist sehr gering, selbst wenn man Ihnen etwas anderes erzählt hat. Es entspricht nicht dem homöopathischen Prinzip, nach Pauschallösungen zu suchen, die für alle gelten. Vielmehr müssen wir schauen, wie sich die Lebenskraft genau zeigt, welche Zeichen sie nach außen setzt, um dann angemessen individuell darauf zu reagieren. Denn Ihr Kind ist ein kostbares Individuum, dessen Bedürfnisse sich nicht einfach über einen Kamm scheren lassen, sondern sanft und mit Bedacht beantwortet werden wollen.

 

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