Geht es Ihnen auch manchmal so? Da stehen Sie in der Küche, planen voraus, wollen ein neues Rezept ausprobieren, Ihrer Familie etwas Gutes tun oder den Kindern ein paar Vitamine unterjubeln. Sie strengen sich an, freuen sich auf die gemeinsame Mahlzeit und dann DAS: “Bäh, eklig! Das mag ich nicht!“ Die ganze Mühe war umsonst und Sie sind frustriert darüber, dass Ihre Kinder viel lieber Spaghetti mit Tomatensoße essen (– und zwar täglich!), anstatt sich über Brokkoli oder Bauernsalat zu freuen.
Woran liegt das?
Hier ein paar Anregungen, über die es sich nachzudenken lohnt:
Unser Körper ist ein Chemielabor. Klingt komisch, ist aber so.
In jeder einzelnen Zelle – und wir haben ja schließlich ein „paar“ davon – laufen andauernd, rund um die Uhr, 356 Tage im Jahr und bis ans Ende unserer Tage viele chemische Prozesse ab. Jede Zellfamilie hat unterschiedliche Aufgaben zu erfüllen, um alle Körperfunktionen aufrechterhalten oder ausbauen zu können.
Der Körper holt sich genau was er braucht, um im Gleichgewicht zu bleiben oder wieder ins Gleichgewicht zu kommen. Wenn wir z.B. ein gesteigertes Verlangen nach Milch oder nach Süßigkeiten haben, hat das einen guten Grund, nämlich den, dass unser Organismus Bestandteile daraus braucht, um alle chemischen Prozesse, die in uns ablaufen, ausführen zu können.
Jeder Körper ist anders, jeder Organismus arbeitet auf seine eigene Weise, in seinem eigenen Tempo. Und diese Einzigartigkeit zeigt sich anhand verschiedener Vorlieben oder Abneigungen, speziellem Temperaturempfinden usw. Den einen ist kalt, die anderen schwitzen, die einen haben Durst, die anderen eben keinen. Und die einen haben Lust auf Milch, den anderen graut es beim puren Gedanken daran.
Ihr Kind ist klug
Ich verstehe Ihre Sorge als Eltern, dass Sie Ihren Kindern die Vitamine und Nährstoffe geben wollen, die allgemein als „gesund“ gelten. Darüber gibt’s auch wenig zu streiten. Ich möchte Sie jedoch dazu einladen, die Vorlieben und Abneigungen aus einem neuen Blickwinkel zu betrachten: Ihr Kind weiß, was es braucht und das drückt sich genau über seine Vorlieben und Abneigungen aus. Gerade bei Kindern sind diese Vorlieben noch unverfälscht und geben uns klaren Aufschluss darüber, was gerade vor sich geht. Je jünger sie sind, desto deutlicher. Was sie nicht vertragen, lehnen sie dauerhaft ab. Was ihnen guttut, das verlangen sie.
Sollen oder Wollen?
Haben Sie schon mal eine 75 jährige Frau gefragt, ob sie gerne Eier isst? Die Antwort liegt auf der Hand: „Um Himmels willen, doch nicht bei meinem hohen Cholesterin!“ Oder denken Sie, dass ein 55 jähriger, leicht übergewichtiger Patient mit Bluthochdruck noch gerne Salz isst? Es wurde ihm abgewöhnt, denn es gilt als schlecht für seine Gesundheit. Vielleicht mag er Salz gern, aber vermutlich lebt er schon seit Jahren nach einer streng salzarmen Diät. Und was sagt wohl eine Mitte zwanzigjährige, schlanke Frau zu der Frage nach ihrer Vorliebe für Süßes? Sie ahnen es… Vermutlich verbietet sie sich Süßigkeiten, selbst wenn sie eigentlich große Lust darauf hätte.
Diese klaren, ehrlichen Antworten aus meinen Patienten herauszubekommen ist eine tägliche Herausforderung in meiner Praxis und doch so wichtig für die passende Mittelwahl und die weitere Verordnung.
Im Lauf des Lebens hören wir nicht mehr auf unsere Vorlieben, sondern halten uns immer mehr an Ernährungsempfehlungen und Diätvorschriften. Bis wir schließlich gar nicht mehr wissen, was wir WOLLEN, sondern nur noch, was wir SOLLEN.
Kinder geben uns aber noch ungefiltert und sehr direkt genau die Hinweise, die wir brauchen. Eier? Ja!! Am liebsten täglich zweimal! Milch? Bähhh, bitte bloß nicht! Tomaten? Nein, höchstens zu Spaghetti. Käse? Pfui Spinne! Salz? Ja, Kartoffelchips viel lieber als Schokolade. Und an dieser Stelle möchte ich mit einem weit verbreiteten Vorurteil aufräumen: Nicht jedes Kind liebt Süßigkeiten!
Aber Vorsicht: nicht jedes Verlangen oder jede Abneigung ist Ausdruck unseres Chemielabors und somit unseres ganz individuellen Zustandes, über den sich unser Organismus ausdrückt. Durch Angewohnheiten und äußere Einflüsse können sich gesundheitsschädigende Muster einschleifen, die darüber hinaus auch noch Konfliktpotenzial bergen. Was ich genau damit meine, zeige ich Ihnen in Teil 2 dieser Themenreihe.
Lesen Sie mehr zum Thema:
Teil 3: Worüber wird bei den Mahlzeiten am häufigsten diskutiert und warum?
Teil 4: Die wichtigsten 15 Tipps, wie wieder Lust und Freude an den Esstisch kommen